Preisgekrönte Architektur im Wald
Plötzlich ist er da – ragt über die Bäume hinweg und erinnert fast ein wenig an eine Filmkulisse, so unwirklich steht der Skovtårn – der Waldturm, wie er wörtlich übersetzt heißt – inmitten der Landschaft. Schon von Weitem ist er ein echter Hingucker und die Spannung steigt mit jedem Meter, den ich ihm näherkomme.
2019 landete er auf der Liste der Worlds 100 Greatest Places des Time Magazine, auf der 100 Orte auf der Welt aufgelistet wurden, deren Besuch ganz besonders lohnenswert sind.
Und dass nicht nur ich davon weiß, wird mir schnell klar als ich auf dem vollgeparkten Parkplatz des Camp Adventure in der Ortschaft Rønnede unweit des Sydmotorvejen auf Seeland stehe. Doch entgegen aller kurzfristig aufkommenden Befürchtungen und dunklen Vorahnung von langen Warteschlagen, bin ich auch ohne vorgebuchtes Ticket ohne Wartezeit auf dem weitläufigen Gelände.
Und wo sind denn die ganzen Menschen, die zu den Autos draußen gehören?
Was mir erst bei Ankunft auf dem Geländes des Camps klar wird, ist, dass es sich hier um einen hervorragenden und vor allem sehr großen Hochseilpark handelt. Es ist sogar der größte Dänemarks.
Ein Großteil der Besucher ist also im Wald unterwegs – und das in verschiedenen Höhenniveaus. Ich begnüge mich mit einem der neu angelegten Boardwalks – zwei 900m lange Bohlenwege, die mich durch den Wald führen. Insgesamt ist der Weg zum Turm ca. 1,5 Kilometer lang. Immer wieder rauscht ein Kletterer über meinen Kopf hinweg, der sich per Seilbahn fortbewegt. Mehrere Plattformen laden zum Päuschen ein, in der man den ein oder andern Blick auf die Mutigen in der Höhe werfen kann.
Aufstieg? Kein Problem!
Am Skovtårnet angekommen, bietet der Holzturm einen wirklich imposanten Anblick – immerhin ragt er 45 Meter in die Höhe, insgesamt aber befindet sich die oberste Plattform auf einer Höhe von 135m über dem Meeresspiegel und ist somit der höchste Punkt auf Südseeland.
Nun steht mir die 650 Meter lange Spiralrampe bevor, die zur oberen Plattform hoch- und auch wieder hinunterführt. Es ist ein großartiges Gefühl, inmitten der Bäume nach oben zu gehen – und eigentlich möchte ich laufen, die Steigung ist nämlich kaum merklich und für so gut wie jeden zu schaffen. Kleine Kinder geben diesem offenbar natürlichem Drang nach und laufen nach oben, laut vor Spaß juchzend. Wie gut ich das verstehe!
Oben über den Baumwipfeln werde ich belohnt mit einer einzigartigen – geradezu majestätischen Aussicht. Bei klarer Sicht kann man sogar Malmös berühmten Turning Torso und die Öresundbrücke erspähen – auch Teile der Kopenhagener Skyline kann man mit etwas Glück entdecken.
Es ist wirklich hoch. Ich bin froh, dass das Geländer entlang des immerhin 100 Meter langen kreisförmigen Plateaus ziemlich hoch ist.
Und auch, wenn ich mich eigentlich gar nicht sattsehen kann, gehe ich irgendwann wieder nach unten – völlig entspannt und ohne Treppen oder einen die Knie quälenden Steigungswinkel. Auch deshalb ist der Skovtårnet ein echtes Meisterwerk – Architekturliebhaber wissen das schon länger. Diese einzigartige Konstruktion wurde bereits vor Eröffnung unter anderem mit dem ICONIC Award 2017 für Visionary Architecture ausgezeichnet. Der Skovtårnet ist eine Hyperboloidkonstruktion, die durch Rotation der langen vertikalen Linien entsteht und so der Form einer Sanduhr ähnelt. Kein Wunder also, dass sich in den ersten zwei Monaten nach Eröffnung mehr als 50000 Menschen dieses Meisterwerk angesehen haben.
Nachdem ich den zweiten Boardwalk wieder in Richtung Parkplatz hinter mir gelassen habe – der nebenbei erwähnt tolle Einblicke in den Hochseilparcours zulässt – brauche ich noch eine kleine Stärkung. Denn auch das gibt es natürlich hier. Mit Blick auf die Übungsstrecke des Kletterparcours, auf der immer wieder Mutige an Seilwinden über den See nach unten schweben, gibt es Brause und Burger.
Was will das Herz (und der Magen) nach so einem phantastischen Erlebnis mehr?