Als wir uns auf den Weg machen, steigt noch Nebel aus den Wiesen. Die Sonne, die gerade über dem Horizont steht, fängt gerade erst an, die Kühle der Nacht zu vertreiben. Die Straßen sind noch leer und auch am Fähranleger gibt es noch keine Warteschlangen. Ich mag es, mit der Fähre zu fahren. Es ist wie eine kleine Auszeit. Und so nutzen wir auch die knappe Stunde, die es dauert, um nach Lolland überzusetzen, für ein gemütliches Frühstück. Wenn man schon so früh unterwegs ist, schmeckt der erste Kaffee bei der ersten Pause besonders gut.
Auf Lolland angekommen, ist unser erstes Ziel die etwas abseits gelegene Olstrup Kirke. Kirchen zu besichtigen, finde ich einfach spannend – oft werde ich dafür belächelt, aber das tut meiner Freude daran überhaupt keinen Abbruch. Diese Kirche ist keine der typischen, weißgekalkten, dänischen Dorfkirchen. Chor und Kirchenschiff der dem Heiligen Laurentius geweihten Kirche sind romanisch und um 1100 errichtet. Später wurde das Kirchenschiff verlängert. Das auf der Südseite in Fachwerk angebaute Treppenhaus ist wirklich speziell und habe ich in dieser Art in Dänemark noch nicht gesehen.
Stadt mit Geschichte: Maribo
Weiter geht es über Nebenstraßen nach Maribo.
Inzwischen steigen die Temperaturen und von der morgendlichen Kühle ist nichts mehr zu spüren. In Maribo empfangen uns gesperrte Straßen und Blaskapellen, ein großer Loppemarked sowie Bier- und Würstchenbude auf dem Marktplatz. Die Stadt feiert. Auch das ist echte Hygge! So sehr wir die Atmosphäre hier genießen, ziehen wir weiter zum Søndersø, dem größten See Lollands.
Durch die kleinen Gassen der Stadt, über Kopfsteinpflaster und vorbei an nach nordischem Sommer duftenden Stockrosen gelangen wir zur mächtigen ehemaligen Klosterkirche, die direkt am Ufer des Søndersøs liegt.
Hier kann man die Reste des Klosters, um das die Stadt Maribo einmal entstand und das im 17. und 18. Jahrhundert abgerissen wurde, besichtigen. Für eine Bootstour auf dem See haben wir leider keine Zeit – obwohl das bei den mittlerweile ordentlich gestiegenen Temperaturen bestimmt schön wäre – und so ist schon jetzt klar, dass wir auf jeden Fall wiederkommen werden.
Nächster Halt auf unserer Tour ist Kragenæs, ein kleiner Hafen im nordwestlichen Teil der Insel. Von hier aus starten Fähren zu den vorgelagerten Inseln Fejø und Femø.
LandArt mit Gänsehauteffekt
Wir lassen das Auto im Hafen und machen uns zu Fuß auf zu den Dodekalithen. Von diesem LandArt Projekt hatte ich bislang nur gelesen und so bin ich sehr gespannt , was uns erwartet. Der kleine Wald, der anfänglich kühlenden Schatten wirft, ist schnell durchquert und so müssen wir die kleine Anhöhe in inzwischen gleißendem Sonnenlicht erklimmen.
Nach und nach öffnet sich der Blick auf das dänische Inselmeer und in der Ferne sind sie bereits zu sehen: die Dodekalithen.
Steinmonumente mit einer Höhe von jeweils 7 – 8 Metern, einige davon bereits mit Gesichtern. Die Monumente bilden einen Kreis und alle Gesichter sind ausgerichtet auf den Kreismittelpunkt. Ein bisschen erinnert mich das Ganze an Stonehenge, nur der Blick auf das Meer und der Wind sind hier viel schöner. Wir lassen uns im Schatten vor einem der riesigen Steinmonumente nieder und plötzlich ertönt sie – die Chormusik, die eigens für dieses Projekt komponiert wurde und in regelmäßigen Abständen aus den installierten Lautsprechern abgespielt wird. Gänsehaut!
In der Stadt, die es nicht gibt: Sundkøbing
Auch dem Middelaldercentret statten wir noch einen Besuch ab.
Zwar haben wir leider das Ritterturnier verpasst, können aber dafür bei der Demonstration der nachgebauten Blide dabei sein – und auch mithelfen. Denn um dieses mittelalterliche Katapult in Gang zu setzen, bedarf es mehrerer mehr oder minder freiwilliger Helfer. Tatsächlich ist hier aber mit sehr viel Liebe fürs Detail die fiktive mittelalterliche Stadt Sundkøbing nachgebaut worden.
Mit den Bewohnern der Stadt kann und soll man ins Gespräch kommen, es gibt nämlich keine Schilder oder Beschriftungen der Häuser. Spannend ist vor allem auch der kleine Technologiepark, in dem Erfindungen des Mittelalters nachgebaut wurden und ausprobiert werden dürfen.
Picknick with a view in Nysted
Nach so viel Besichtigungen, ist nun Zeit für eine Pause. Schon vorab habe ich bei Slagter Friis in Nakskov eine Picnicpose vorbestellt. Die holen wir nun ab und machen uns auf nach Nysted.
Die kleine Stadt an der südöstlichen Seite der Insel hat eine sehr lange Geschichte.
Im Mittelalter wurde hier der einzige Hafen der Südküste gegründet und lange Zeit hatte er große Bedeutung für Handel und Verkehr der gesamten Insel. Auch ein Kloster und eine Königsburg, das Aalholm Slot, das heute in Blickweite des Hafens liegt, trugen zur Bedeutung Nysteds bei.
„Kan jeg hjælpe jer?“ – Erik, wie er später erzählt, ein Urgestein der Stadt, klopft an unsere Autoscheibe. Er hat gesehen, dass wir uns mit der Karte abgemüht haben und erklärt uns nun den Weg zur Skanse, einem Überrest aus den Kriegen gegen Großbritannien.
Hier gibt es einen wirklich schön angelegten Park samt einem kleinen naturbelassenen Badestrand. Am Horizont der Windpark Rødsand, vorne glitzernde Ostsee. Auf dem kleinen Picknicktisch packen wir unsere Picnicpose aus und wähnen uns im dänischen Picknickhimmel – die neidischen Blicke um uns herum nehmen wir verständnisvoll zur Kenntnis.
Doch auch der schönste Tag geht irgendwann zu Ende und so haben wir leider nicht mehr genügend Zeit, in das verführerisch glitzernde Meer zu tauchen. Es muss diesmal reichen, bis zu den Knien durch das klare Wasser zu waten.
Auf dem Weg zur Fähre neigt sich der Tag merklich dem Ende und das schwächer werdende Licht und die Kühle wirken nach dem Tag voller Sonne wie kleine Energiekicks.
Die Fähre ist fast leer und auf Deck schauen wir zu, wie Lolland immer kleiner wird.
Hierher kommen wir wieder zurück. Das ist unser fester Plan.