Am Ersten Weihnachtstag 1906 schaute Holger Drachmann aus seinem Atelier. Woher wir das wissen? Nun, er hat es sozusagen dokumentiert, denn es entstand sein Landschaftsbild Udsigt fra mit atelier. Snestorm. Es ist eines der letzten Werke Drachmanns.
Wir befinden uns in der Villa Pax, das Bild zeigt den Blick durch die großen Fenster des Ateliers. Links im Bild ist die Vesterby Mølle zu sehen, die heute nicht mehr existiert. Sie wurde von Anna Anchers Großvater mit dem sprechenden Namen Søren Møllebygger erbaut. Im Hintergrund die Skagen Kirke noch im Zustand vor dem großen Umbau durch Ulrik Plesner und Thorvald Bindesbøll. Entworfen hatte die Skagen Kirke der Architekt C.F. Hansen, auf den auch etliche Gebäude in Altona zurückgehen. Im Vordergrund eine Art Zaun oder Markierung, hinter sich ein Mensch gegen den Schneesturm kämpft.
Mir wird jedes Mal ein wenig kalt, wenn ich mir das Gemälde ansehe. Und dabei wird mir bewusst, was für ein hervorragender Maler Drachmann doch war. Kalt war es an jenem Weihnachtstag in Skagen wohl – der Schneesturm lässt da nicht viel Zweifel. Kälte, uhyggelig, bedrohlich?
Kalt war Drachmann aber vermutlich nicht nur aufgrund der Witterung. Udsigt fra mit atelier.Snestorm entstand in einer Zeit, in der Drachmann eine große persönliche Krise durchlebte. Sein 60. Geburtstag im Oktober war landesweit gefeiert worden und in Kopenhagen wurde im Königlichen Theater sein letztes Theaterstück Hr Oluf han rider uraufgeführt. Das Stück wurde ein Fiasko und Drachmann, bis dato einer der meistgefeierten Autoren Dänemarks, flüchtete geradezu vor den Kritiken zurück nach Skagen.
Diese Stimmung transportiert das Bild perfekt, wie ich finde. Aber nicht ausschließlich negative Stimmung. Denn ein Mensch kämpft sich gegen den Schneesturm voran – es gibt also noch Hoffnung, die Krise zu überstehen.