Vestervig Kirke – die größte Dorfkirche des Nordens
Die Vestervig Kirche liegt etwas außerhalb des gleichnamigen Ortes Vestervig im Südwesten von Thy und ist der einzig verbleibende Zeuge eines Vestervig Klosters, das hier im 11. Jahrhundert von Augustinern gegründet wurde.
Die gewaltige Kirche sollte die größte Kirche des Nordens werden und zumindest hat sie heute den Titel als „größte Dorfkirche Skandinaviens“ inne.
Möglicherweise war sie Bischofskirche bevor der Bischofssitz nach Børglum verlegt wurde, also ca. bis zum Jahr 1130. Zudem soll hier im frühen 11. Jahrhundert ein Königshof existiert haben, denn Knud den Store (ca. 995 – 1035) soll hier in Vestervig seine Truppen für den Zug gegen England gesammelt haben.
Skt Thøger in Vestervig
Als die Kirche als Klosterkirche eines Augustinerordens um 1100 hier errichtet wurde, existierte ca. 250m entfernt bereits eine Pfarrkirche: die Skt Thøger Kirche.
Thøger – im Deutschen auch Dieter von Vestervig genannt- stammte der Legende nach aus Thüringen. Nach Jahren in England und Norwegen kam er Mitte des 11.Jahrhunderts nach Thy und begann, das Evangelium zu verkünden. Er baute ein kleines Gotteshaus und viele Menschen traten zum Christentum über. Nach seinem Tod 1067 wurde er als Heiliger verehrt und seine erste kleine Kirche durch einen romanischen Bau ersetzt. Diese Kirche diente bis zur Reformation als Pfarrkirche, wurde jedoch ab 1547 sukzessive abgerissen. Heute ist der Grundriss dieser Kirche teilweise noch im Gelände sichtbar.
Das Kloster von Vestervig
Die Klosterkirche wurde als romanische, 3-schiffige Basilika mit Apsis, Chor und Querschiff errichtet. Sie bildete den Nordflügel des Klosters. Im 15. und Anfang des 16.Jahhunderts wurden umfangreiche Umbauten vorgenommen – unter anderem wurde in dieser Zeit der Chor Richtung Osten verlängert, ein gotisches Gewölbe errichtet, Fresken erschaffen und schließlich stammt auch der Kirchturm am Westende der Kirche aus dieser Zeit.
1536 wurde das Kloster aufgelöst und die Klosterkirche diente von nun an als Pfarrkirche der Gemeinde Vestervig.
1661 gelangten sowohl Kloster als auch die Kirche in Privatbesitz, auf den Fundamenten des Klosters wurde ein Herrengut errichtet, das jedoch 1703 abbrannte. Ein neu errichteter Gutshof nutzte zeitweilig den Chor – abgetrennt von der Kirche – als Kornspeicher und wurde 1839/40 abgerissen. 1916 entschloss man sich zu einer umfangreichen Restaurierung der ziemlich in Mitleidenschaft gezogenen Kirche und führte diese in den Jahren 1917-21 unter der Federführung des Architekten Mogens Clemmensen durch. Clemmensen stellte das romanische Äußere der Kirche wieder her während er im Inneren am gotischen Charakter festhielt.
Geht man um die Kirche herum – und ich will mich hier mal auf das Äußere dieser spannenden Kirche beschränken -, entdeckt man ein paar wahre Schätze.
Die Sonnenuhr von Vestervig
Zum Beispiel die Sonnenuhr an der Südmauer der Kirche, die
zu den ältesten Sonnenuhren in Nordeuropa zählt. Auf ihr sind die Buchstaben T, S und N zu erkennen. Die Buchstaben stehen für tertia (die dritte Stunde), sexta (die sechste Stunde) und nona (die neunte Stunde). Das sind die Tageszeiten (entspricht ungefähr 8 , 10 und 14 Uhr bei Tagundnachtgleiche und ohne Sommerzeit), an denen sich die Augustiner zu ihren täglichen Gebeten versammelten.
Das kleine Kreuz zwischen N und S markiert die Tagesmitte.
Das Wahrzeichen von Vestervig
Oder das Relief an der südlichen Mauer des Chors, das auch das Wahrzeichen Vestervigs genannt wird. Hier sieht man vier Köpfe umgeben von schlangenartigen Tieren. Die oberen beiden Köpfe sind menschliche, die unteren sind Teufelsfratzen. Bei der linken Fratze erkennt man eine gespaltene, bei der rechten eine ungewöhnlich dicke und große, häßliche Zunge. Interpretiert wird das Relief gewöhnlich als Warnung an den Menschen, sich vor Lüge und Verleumdung zu hüten, will er nicht des Teufels werden.
An der rekonstruierten, romanischen Apsis sollte man ebenfalls nicht achtlos vorbeigehen. Die Apsis steht auf einem Sockel und ist in fünf Blindarkaden unterteilt, die durch vier Halbsäulen voneinander abgegrenzt sind. Hier lohnt es sich, auch mal einige Schritte zurückzutreten und die Kirche aus etwas Entfernung zu betrachten, denn hier, wo zur Zeit der Augustiner der Hauptflügel des Klosters stand, hat man wohl den schönsten Blick auf die Kirche.
Das Grab von Liden Kirsten
An der Nordwestecke des Kirchenschiffs liegt ein länglicher, romanischer Grabstein. Er ist 3,40m lang und an beiden Enden befindet sich je ein Grabstein, die beide auf das Jahr 1200 datiert wurden. Untersuchungen im Jahre 1962 kamen zu dem Ergebnis, dass in dem Doppelgrab ein Mann, der ca 50 Jahre alt war als er starb und eine Frau, die um die 35 Jahre alt geworden war, bestattet wurden.
Für eine königliche Abstammung der beiden fanden die Forscher allerdings keinerlei Hinweise – und das ist schade, bringt doch der Volksmund dieses Grab, das das Grabmal der Liden Kirsten („kleine Kirsten“) genannt wird, mit Prins Buris sowie Kirsten, der Schwester König Valdemars, in Verbindung.
Kirsten, die Schwester des Königs, liebte dessen Schwager Prins Buris (Buris war der Bruder von Valdemars Frau, der Königin Sophie). Doch Valdemar missbilligte eine Verbindung zwischen seiner Schwester und seinem Schwager. Als sich der König längere Zeit in England aufhielt, wurde auf Betreiben der Königin aus Buris und Kirsten jedoch ein Paar. Kirsten brachte eine Tochter zur Welt und als Valdemar zurückkehrte, geriet er darüber so in Wut, dass er seine Schwester tötete ( er ließ sie sich zu Tode tanzen, berichtet eine Volksweise). Buris ließ er blenden und in einem Turm am Friedhof von Vestervig gefangenhalten. Die Eisenkette, mit der er an den Turm gefesselt war, war gerade so lang, dass er das Grab seiner geliebten Kirsten erreichen konnte. Als Buris Jahre später starb wurden die beiden in einem Doppelgrab beigesetzt, jedoch nicht Seite an Seite als Mann und Frau, sondern Fuß an Fuß hintereinander.
Das Grab erinnert daran, dass Liebe nicht immer gleichbedeutend mit Glück ist und noch heute legen Frischvermählte nach der kirchlichen Trauung ihren Brautstrauß auf dem Grab nieder für die unglücklich Liebenden.
In der Nähe des neu angelegten Parkplatzes bei der Kirche von Vestervig ist ein byhøj – ein Wohnhügel – zu sehen. Byhøj ist die dänische Bezeichnung für vertikal aufeinander abfolgende Siedlungshorizonte, durch die ein Hügel entstand. In Dänemark ist diese Siedlungsform begrenzt auf die Region Thy und die Eisenzeit. Bei Vestervig wurde ein Byhøj restauriert, der 24 Häuser umfasste.
Hej, das ist so cool! Geschichtsunterricht bei dir macht einfach Spaß. Ich war zwar noch nie dort, aber wenn, dann wäre ich an einigen Sachen einfach vorbeigestolpert ohne sie wahrzunehmen! Klasse!
Viele Grüße Steffen
„Geschichtsunterricht“ 😉 Ich hoffe, dass das nicht so rüberkommt wie Geschichtsunterricht 😉 Trotzdem aber danke – Spaß machen soll es ja. Ich finde, dass Besichtigungen mit ein paar Geschichten im Kopf viel interessanter sind 🙂
Wir hatten das Glück, im September 2019, als wir die Panoramaroute „Kräfte der Natur“ fuhren, Vestervig Kirke zu besuchen. Ein wahrhaftig beeindruckender Bau. Das Grab von Liden Kirsten und Prins Buris, sowie die Sonnenuhr konnten wir auch bewundern. Ebenso die Ausgrabungen der Eisenzeitsiedlung und die Klostermølle sind sehr interessant. Liebe Grüße Karsten
Ja, ich finde den Ort auch beeindruckend – auch, welche Rolle z.B. das Grab von Liden Kirsten und Prins Buris noch heute spielt: Frischvermählte, die hier ihren Brautstrauß niederlegen. Das ist schon sehr spannend. Von wo nach wo führte Eure Route? Kräfte der Natur klingt interessant! Liebe Grüße, Bille