Besuch bei einem alten Freund

Als ich den Rubjerg Knude Fyr das erste Mal besuchte, war ich noch ein Kind.

Den Weg zum Turm, den die Besucher heute zu Fuß auf sich nehmen müssen, konnte man damals noch mit dem Auto fahren und ganz bequem auf einem kleinen Parkplatz sein Auto abstellen, der sich kurz vor den Sandmassen befand. Trotzdem fand ich den Weg unfassbar weit, vor allem beim Aufstieg auf die Düne quengelte ich. Vermutlich nicht zu knapp. Oben angekommen fand ich es dann großartig. Und auch ein erneutes Erklimmen der Düne schien mir plötzlich kinderleicht, viel zu spaßig war das Herunterlaufen der Düne im Wettstreit mit meinen Geschwistern.

Und der Turm? Der Turm übte schon damals eine Faszination auf mich aus, ohne dass ich das Wort für das Gefühl, das sich da in mir breitmachte, gekannt hätte. Anfangs waren auch die Nebengebäude noch zugänglich. In einem war ein kleines Café untergebracht, Anfang der 80er Jahre war dort dann zumindest für kurze Zeit ein Flugsandmuseum eingezogen.


Und so pilgere ich seitdem fast jedes Jahr mindestens einmal hierher – seit der Parkplatz gleich an der Straße eingerichtet und man sich zu Fuß auf den Weg machen muss und wenn man die Dauer der Anfahrt bedenkt, kann man tatsächlich von einer Art kleiner Pilgerfahrt sprechen. Auch, wenn an deren Ende kein religiöser Ort, geschweige denn ein Heiligtum steht. Genügend Nahrung für Seele und Herz bietet die Tour zur Ikone Nordjütlands allemal – denn so kann man den Rubjerg Knude Fyr mittlerweile ohne Übertreibung bezeichnen.


Der Leuchtturm (dän. fyr) wurde am 27.12.1900 das erste Mal in Betrieb genommen und bei seiner Fertigstellung gab es keine nennenswerten Dünen in der Umgebung. Man hatte ihn samt seiner vier Nebengebäude auf der höchsten Stelle des Küstenabschnitts und gut 200 Meter von der Nordsee entfernt errichtet.

Mit der Zeit aber „kam das Meer immer näher“ und der Wind blies immer mehr Sand die Steilküste hinauf, der sich dann vor und um den Turm herum ablagerte. Versuche, den Sandflug einzudämmen, schlugen fehl: Je mehr Strandhafer und Helmgräser man pflanzte, je mehr Reisige man platzierte, desto stärker wuchs die Düne an. 1968 war sie so hoch angewachsen, dass man den Turm von See aus nicht mehr sehen konnte und man beschloss, den Turm stillzulegen. Alle vier Nebengebäude wurden von den Sandmassen, die sich unaufhörlich landeinwärts arbeiteten, überrollt. Der Leuchtturm blieb zurück und war zunehmend vom Absturz bedroht.

2019 war es dann soweit: Unter großem Medieninteresse wurde der Turm um 80 Meter versetzt und ist nun an neuem Standort und in aufpoliertem Glanz gegen den Besucherandrang gewappnet.


Und natürlich war ich in diesem Jahr auch wieder auf meiner Pilgerfahrt und habe „meinen Leuchtturm“ besucht. (Ich möchte wirklich mal wissen, wie viele Menschen hier von IHREM Leuchtturm sprechen :-)) Und wieder mal war es ein wenig wie der Besuch bei einem alten Freund. Einem, der immer für einen da ist – egal, wie weit man manchmal auch von ihm entfernt sein mag. Er ist da und wartet. Einer, bei dem sich, sobald man ihn auch nach noch so langer Zeit wiedersieht, sofort so ein Wohlgefühl breitmacht. Dieses Mal habe ich den Weg zum Rubjerg Knude Fyr besonders genossen. An einem Abend im Herbst sind wir kurz vor Sonnenuntergang unterwegs – wie nur wenige andere. Das liebe ich besonders: so gut wie allein an einem Ort, der einem viel bedeutet.

Dieses Mal war aber auch mehr als nur der Standort des Turms neu – dieses Mal waren wir erstmals mit Vierbeiner hier am Turm. Und das war wirklich großartig – denn er mag es hier auch. Sehr.

Bergson am Rubjerg Knude Fyr Herbst 2021

Hier könnt Ihr mehr über die Vorbereitungen des Umzugs lesen



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